5-17 So VDas Thema „Verzeihen“ findet sich in letzter Zeit immer öfter an verschiedenen Stellen in den Medien und bei Veranstaltungen. Wahrscheinlich ist es darauf zurückzuführen, dass die Menschen erkennen, wie wichtig das Verzeihen ist – ganz besonders nämlich für sie selbst.

Wird man von jemand anderen beleidigt, so ist das Bedürfnis, diese Tat zu rächen zwar menschlich und nachvollziehbar – aber leider für einen selbst nicht sehr zielführend. Es kann natürlich eine Strafe sein, wenn jemanden nicht verziehen wird, doch am meisten bestraft man sich damit selbst. Man verurteilt sich dazu, diese Schmach nicht zu vergessen. Der Gedanke an die Verletzung wird wach gehalten und mit ihm auch der Schmerz. Damit ist echte Heilung ausgeschlossen.

Dieses Wissen ist eigentlich nicht neu. Schon bei den alten Griechen wurde der Begriff „Amnestie“ eingeführt – oder besser gesagt per Gesetz verordnet. Dabei ging es nicht darum Geschehenes ungeschehen zu machen – dies ist nicht möglich. Wie kann die Spirale aus Misshandlung, Mord und Totschlag usw. je überwunden werden? Die Menschen erkannten das Dilemma und suchten einen Ausweg. Sie entdeckten, dass man ein neues Blatt im Buch des Lebens nur aufschlagen kann, wenn „Beleidigendes/Verletzendes“ nicht weiter belastet. Deshalb wurde die Verletzung oder Missachtung der Amnestie auch bei Todesstrafe oder Ausschluss aus der Gemeinschaft geahndet – also der schwersten Strafe.

mater_misericordiae-202x300Amnestie kann somit als eine Art verordnetes Vergessen gesehen werden. Dies verlangt von den Menschen eine ungeheuren Mut zur Größe und eine Menge Toleranz – nicht einfach und vielfach nicht leicht. Und es schmerzt noch einmal.

Damit wird vielleicht der Spruch aus Mt 5,39 mehr verständlich: „Wenn dich einer auf die linke Backe schlägt, dann halt ihm auch die andere hin“. Nur wenn wir bereit sind, einen, wenn auch schmerzhaften Schlussstrich zu ziehen, gelingt ein neuer Anfang – kann eine neue (unbelastete) Seite aufgeschlagen werden – und Leben ist wieder möglich! Verzeihen kann schmerzhaft sein – vielleicht wie eine Geburt – und mit dieser beginnt bekanntlich das Leben. Es liegt somit an uns, ob wir wieder wirklich leben wollen.

Zeit also, zu verzeihen …