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Eine Bildbetrachtung

Verkündigung_(800_x_600)

 

Fra Angelico – eigentlich Guido di Pietro, lebte von etwa 1390 – 1455 in Italien und war Maler der italienischen Frührenaissance. Sein Bild Verkündigung im Museo Diocesano Cortona wollen wir uns nun genauer ansehen.

Das Bild zeigt uns zwei Szenen. Die eine im Vordergrund in der Säulenhalle und eine andere links im Hintergrund. Verweilen wir einmal bei der Hauptszene im Vordergrund, dem Geschehen in der Säulenhalle.

Maria thront auf einem mit kostbarem Brokat bezogenen Sessel. Ihr himmelblauer, bodenlanger Überwurf ist im Bereich vom Hals bis zum Schoß offen, so dass das rote Untergewand und die vor der Brust ergeben demütig gekreuzten Arme sichtbar werden. Das Bild ist, bis auf den Hintergrund, in fröhlichen Farben gehaltenes soll einen freudigen Augenblick darstellen. Da das Gesicht von Maria zum Teil zum Betrachter blickt, wird unser Blick von ihren Augen eingefangen. Maria lädt uns in die Geschichte ein, während sie aber gleichzeitig auch den Engel ansieht, der, von einer Blumenwiese kommend, von links in die Säulenhalle hereintritt. Weit ausschreitend, den Oberkörper nach vorn geneigt, tritt der prächtig gewandete Gottesbote kraftvoll und eindringlich auf Maria zu und beugt leicht das Knie vor ihr und schaut sie an. Beide begegnen sich „auf Augenhöhe“ und verbeugen sich voreinander. Eine sehr interessante Darstellung, denn oft sieht man Maria in dieser Szene beschämt auf den Boden blicken oder der Engel kommt gar von hinten, ganz so, als wolle er Maria überfallen oder er nähert sich von oben um Maria etwas einzuflößen.

Fra Angelico hingegen zeigt uns die Verkündigung Marias als eine Begegnung von Angesicht zu Angesicht. Beide, Maria und der Engel, schauen sich in die Augen und verbeugen sich gleichzeitig voreinander, während die rechte Hand des Engels auf ihr Herz, dem Ort der Liebe, verweist. Ein Bildnis des Respektes und der Ehrfurcht vor dem jeweils anderen, verbunden mit dem offenen Blick füreinander als Ausdruck der innerlichen Verbundenheit.

Auf dem rechten Oberschenkel Marias liegt ein geöffnetes Buch, in dem sie wohl gerade gelesen hat. Es korrespondiert mit der Gestalt des Propheten Jesaja, die über der Mittelsäule in einem runden Medaillon sichtbar ist und gleichsam zu Maria herunterblickt. Maria hält ihre Hände verschränkt über ihrem Herzen, woran man erkennt, dass in diesem Moment der Erkenntnis große Freude in ihr aufflammt, so dass sie sich selbst halten muss. Sie hält sich, weil sie noch gar nicht richtig begreifen kann, was ihr da verheißen wird.

Denn mit folgenden Worten hat Jesaja vor sehr langer Zeit die Geburt des Messias angekündigt: „Siehe, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, sie wird einen Sohn gebären, und sie wird ihm den Namen Immanuel geben“ (Jes 7,14)

Das Bild strahlt eine innere Ruhe und Ausgeglichenheit – ja Harmonie aus. Dies erreichte der Maler durch den Bildaufbau in Form eines gleichschenkligen Dreiecks. Der Engel und seine Worte bilden die untere Kante – Maria, Jesaja im Medaillon und der Engel die gemeinsamen Eckpunkte.

Darüber ist in zweites, teilweise entgegengesetztes, gleichschenkeliges Dreieck zu erkennen. Es wird durch den Kopf des Engels, das Medaillon Jesajas und dem als Taube im goldenen Strahlenkranz symbolisierten Hl. Geist über dem Kopfe Marias schwebend, gebildet. Gottes Wort wird durch den Propheten verkündet und durch den Engel im Menschen Realität.

Die Kleidung der handelnden Personen unterstreicht das Geschehen. Maria trägt ein rotes Gewand. Rot als Farbe der Liebe und des Blutes steht für die Menschheit. Ihr blauer Mantel mit der Farbe des Himmels umhüllt sie. Die Farbe Blau symbolisiert einerseits das Wertvolle, den sie war in alter Zeit nur schwer, teuer und aufwendig zu beschaffen, wie etwa Lapslazuli aus dem nordöstlichen Afghanistan. Andererseits verknüpft sie Göttliches, Himmlisches und Irdisches. Sie ist Mittler des Menschen für die Gegenwart Gottes, sie wird zur Farbe des Glaubens und der Treue. Der blaue Mantel steht für ihre Verbindung mit Gott und für das Gebet. Betrachtet man beide Farben gemeinsam, so zeigen sie, dass sich in Maria Gott und Mensch begegnen.

Das Gewand des Engels ist kunstvoll verziert und ganz in rosa und Gold gehalten. Rosa, die Farbe der Unschuld und der göttlichen Liebe, Gold als Farbe der Sonne bzw. des göttlichen Lichtes verweist auf den göttlichen Ursprung des Engels. Seine Flügel deuten auf die Leichtigkeit und auf seine nicht materielle Erscheinung hin. Damit wird auch die Natur des Engels zum Ausdruck gebracht – trotz seiner Anwesenheit ist er nicht für alle wahrnehmbar. Ebenso ist er auch Träger des göttlichen Lichts, was der Maler mit einem leichten Lichtschimmer um den Engel herum andeutet.

Hinter dem Haupt des Engels ist ein geheimnisvoller Türausschnitt zu erkennen, der von einem Vorhang mit derselben Farbe wie Marias Untergewand verdeckt wird. Dieser kann als eine symbolische Andeutung auf das Mysterium der jungfräulichen Empfängnis gesehen werden, denn auch auf sie verweist der Engel mit seiner Linken. Dabei kann seine Körperhaltung auch als Hinweis auf ein Geheimnis verstanden werden, das es zu bewahren gilt.

Wenden wir uns abschließend noch der zweiten Szene auf dem Bild links oben zu. Man erkennt, wie ein Engel vor einer hell erleuchteten Pforte steht, in der Rechten ein Flammenschwert, die Linke auf die Schulter eines Mannes gelegt, der fassungslos die Hände vor sein Gesicht hält. Neben ihm eine Frau, händeringend mit dem gleichen verzweifelten Ausdruck. Der Weg des Paares geht auf felsigem Pfad bergab, ins Dunkel, vorbei an spitzigen, stachligen Gewächsen. Es ist die Vertreibung aus dem Paradies als das Kontrastgeschehen zum Vordergrund. Der Maler stellt die Verlorenheit und das Gebrochene des Menschen in den Hintergrund und ordnet die Befreiung und Erlösung im Vordergrund an. Das, was damals in der Vergangenheit „schief gelaufen“ ist, wird nun im Vordergrund durch den Engel und Maria wieder gut gemacht. Durch die Bereitschaft Marias, den Erlöser zu empfangen, wird der Vorgang umgekehrt, der Weg kann wieder zurückgehen Richtung Paradies, so wie der Blick Mariens dem Engel zugewandt ist.

Das Bild lässt sich nun so deuten, dass jeder Einzelne mit seinen Fehlern und Schwächen, mit seinem Versagen in der Vergangenheit seine Unschuld verloren hat. Gleichzeitig keimt jedoch in der Begegnung mit Gott in jedem neues Leben auf, hervorgerufen durch die Menschwerdung Gottes in Maria.

Ein Marienlied aus dem 6. Jahrhundert fasst diesen Zusammenhang zwischen Eva und Maria in folgende Worte:

Sei gegrüßt, durch dich strahlt auf die Freude;

sei gegrüßt, durch dich schwindet der Fluch.

Sei gegrüßt, den gefallenen Adam richtest du wieder auf;

sei gegrüßt, von ihren Tränen erlöst du Eva.

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Verwendete Literatur:

de.wikipedia.org/wiki/Fra_Angelico
www.malerei-meisterwerke.de/kuenstler/fra-angelico.html
www.religruber.de/1.1.17_mariae_verkuendigung.htm
www.farbimpulse.de/Warum-Maria-Blau-traegt.407.0.html
Brockhaus Enzyklopädie in 24 Bänden, Band 1, S. 572, Mannheim 1986
Rüdiger w., Die Welt der Renaissance, RVG 1981
Ullstein Kunstgeschichte XIII, Renaissance, Frankfurt 1963
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