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Ein offener Brief zum Thema Eucharistie in Zeiten von Corona geschrieben von P. Erhard Rauch SDS. Er verurteilt darin die Forderung mancher Gläubiger, ihnen das Recht auf ihre Eucharistie zurückzuzugeben. Diese zeige vor allem eins:
europäischen Hochmut.

Beginnen wir mit einer Geschichte

Ein Mann verläuft sich in einem Moor und beginnt einzusinken. Da kommt ein Bauer vorbei und bietet Hilfe an, doch der Mann lehnt ab, weil Gott ihn immer noch gerettet hat. Nach einiger Zeit fährt ein Polizei-Auto vorbei, jedoch der Mann winkt auch dieses weiter. Schließlich versinkt der Mann im Moor und stirbt. Im Himmel angekommen macht er Gott einen Vorwurf: Warum hast Du mich nicht gerettet? Gott sagt: „Ich habe Dir einen Bauer und die Polizei geschickt, aber Du hast jede Hilfe abgelehnt.“

Ein ähnliches Verhalten stelle ich in der derzeitigen Situation fest, wenn es um das Tauziehen um das Verhalten in der Corona-Krise geht. Was ist wichtiger: Die Vorgaben der Regierung zu erfüllen, oder auf Gott zu hoffen, dass er uns rettet, wenn wir nur unsere Aufgaben gut erfüllen.

Seinen Verstand benutzen

Grundsätzlich tut Gott nichts ohne uns Menschen. Er hat uns einen Verstand, Intelligenz und Forschungsdrang gegeben, um diese Gaben auch zu benützen. Und gerade das Christentum hat deswegen in unseren Breiten Großartiges geleistet. Wissenschaften, Medizin, Bildung ist im Umkreis von Klöstern entstanden und hat vielen Menschen Hilfe gebracht. Durch den intensiven Einsatz der Gaben Gottes ist von Menschen für Menschen viel Not gelindert worden.

Auch in der heutigen Zeit ist es angebracht, unseren Verstand zu benützen und auf die Fähigkeiten von Fachleuten zu vertrauen, ob es nun Virologen, Ärzte oder auch Politiker sind. Diese Fähigkeiten darf ich als gläubiger Mensch auch auf Gott zurückführen. Die Bischöfe haben das Richtige getan und mit diesen Experten kommuniziert und ihren Rat angenommen.

„Wahrer Glauben“?

Leider gibt es wieder selbsternannte Besserwisser, die verantwortungslos und unsolidarisch mit diversen Zwischenrufen immer den sogenannten „wahren Glauben“ ins Spiel bringen und hier viel Unheil anrichten. Kaum einer oder eine von ihnen hat sich mit Fachleuten in Verbindung gesetzt, sondern sie setzen ihre eigene Meinung über die Gaben Gottes. Dass sie damit unzählige Menschen in Gefahr bringen, zeigen die Erfahrungen anderer Länder, die nicht auf die Experten gehört haben und jetzt einen hohen Preis an Verstorbenen zahlen. Ich nenne solche Menschen nicht gläubig, sondern asozial. Aber deswegen sind wahrscheinlich diese Zwischenrufer auch nicht zu Bischöfen erwählt worden.

Nur so nebenbei erwähnt ist ein großer Ansteckungsherd von einer kirchlichen Gruppe ausgegangen, die es ja besser gewusst hat.

Kein europäisches Einverleiben der Eucharistie

Gerade von diesen Gruppen kommt auch der Ruf: „Gebt uns unsere Messen zurück!“ Seit wann sind das „unsere“ Messen? Wie überheblich muss man denn sein, um sich den Gottesdienst einverleiben zu wollen, als ob ich ein Recht auf meinen eigenen hätte. Wenn es ein Recht auf Eucharistie gibt, weil es ein menschliches Grundbedürfnis ist, dann ist das allen Menschen überall auf der Welt zuzugestehen. Und da kommt leider wieder unser europäischer Hochmut zu tragen. Es gibt Völker auf dieser Erde, die ein ganzes Jahr lang keine Eucharistie feiern können, obwohl kein Virus sie daran hindert. Sie haben nur nicht das Privileg des Priesterüberschusses wie wir in Europa, und sie können auch nicht via Medien an religiösen Feiern teilnehmen.

Es täte uns gut, auch einmal mit diesen Menschen mitzufühlen und unsere eucharistische Abstinenz, die ja höchstens zwei Monate dauern wird, etwas gelassener anzunehmen. Vielleicht gehen wir aber auch einen Schritt weiter und überlegen, wie wir etwa in Brasilien oder im zuletzt oft genannten Amazonien das Recht auf Eucharistie, das wir so selbstverständlich für uns beanspruchen, sicherstellen. Wir könnten ihnen Priester geben, aber Kirchengesetze sind natürlich wichtiger als menschliche Grundbedürfnisse. Dürfen diese Völker auch schreien: Gebt uns unsere Eucharistie?

Liebe „wahre Gläubige“!

Weitet bitte Euren Horizont, seid nicht unverantwortlich, sondern nehmt Rücksicht auf die Schwächeren in unserer Gesellschaft, und lasst hier bei uns die Bischöfe mit den Fachleuten weitermachen, denn dazu wurden sie berufen!

P. Erhard Rauch SDS

 

P. Erhard Rauch, Leiter der Salvatorianer-Pfarre St. Michael und ehemaliger Generalsekretär der Superiorenkonferenz der männlichen Orden Österreichs
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