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Jährlich am 8. März wird der Weltfrauentag begangen und soll auf die Gleichwertigkeit und Gleichstellung von Frau und Mann in der Gesellschaft aufmerksam machen. Schon seit einiger Zeit befassen sich nun Theologinnen mit der weiblichen Seite Gottes und auch Papst Johannes Paul I. erkannte: „Gott ist Vater und mehr, ….“ Zeit also, sich mit der Ganzheit Gottes auseinander zu setzen. Einen sehr interessanten Artikel dazu fand ich in der deutschen katholischen Wochenzeitung „Tag des Herrn“, den ich hier nochmals zur Verfügung stellen will.

Die weibliche Seite Gottes wieder entdeckt …

Wir sind es gewöhnt, wenn wir beten, Gott als unseren Vater anzusprechen, so wie es Jesus seine Jünger gelehrt hat. „Da sagte er zu ihnen: ,Wenn ihr betet, so sprecht: Vater, dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme…'“ (Lk 11,2

Papst Johannes Paul I. formulierte bei der Angelus-Ansprache am 10. September 1978 den Satz „Gott ist Vater und Mutter“. Daraus entstand ein Kanon mit dem Text „Gott ist Vater und mehr, mehr viel mehr. Er ist auch Mutter und mehr, mehr viel mehr.

Nach vielen Jahrhunderten wurde die weibliche Seite Gottes wieder entdeckt. Sie war in Vergessenheit geraten. Die längste Zeit der Kirchengeschichte betrieben fast nur Männer Theologie. Die Vorherrschaft des Mannes, wie sie sie selbst lebten, übertrugen sie auch auf Gott. Der Freiburger Theologe Gisbert Greshake unterstützt den Satz von Katharina Halkes in seinem neuen Buch „Der dreieine Gott“: „Die Männer haben Gott mit allen Attributen versehen, die sie selbst als die höchsten betrachtet haben… Sie haben sich von Gott ihre Männlichkeit und die Mann-Frau-Beziehung, wie diese war, bestätigen, normieren, legitimieren und sakrieren lassen.

Seitdem in den letzten 30 Jahren auch Frauen sich mit Theologie befassen, stießen sie erneut auf die weibliche Dimension in Gott. Die Männer können sich nun dieser Wiederentdeckung nicht mehr entziehen. Die Theologinnen haben die weibliche Seite in Gott nicht etwa erfunden. Sie untersuchten mit anerkannten wissenschaftlichen Methoden neu die Schriften des Alten und Neuen Testamentes

Im Schöpfungsbericht des Alten Testamentes beschließt Gott den Menschen als sein Abbild zu schaffen. Und er schuf sie als Mann und als Frau. Wenn also Mann und Frau Abbild Gottes sind, muss es auch in Gott eine männliche und eine weibliche Dimension geben

Wie soll man sich das vorstellen? Das Herzstück des christlichen Glaubens ist das Bekenntnis zum drei-einen Gott. Jedes Gebet sprechen wir im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Auf den ersten Blick und rein sprachlich scheinen dies drei männliche Personen zu sein, die in Gott eins sind. Schon die Kirchenväter aber, die ersten christlichen Theologen bis zum vierten Jahrhundert, hatten auch eine weibliche Vorstellung vom Heiligen Geist. Sie bezeichneten den Heiligen Geist zum Beispiel als „Trösterin“ und „Mutter“

Die ältesten Teile des Alten Testaments sind in hebräischer Sprache geschrieben. Das Wort für Geist heißt dort „Ruach“. Gleichbedeutende Übersetzungen dafür sind: Lebensatem, Lebenskraft, Geisteskraft und Energie. Das grammatische Geschlecht von „Ruach“ ist weiblich und kommt fast 400 Mal im Alten Testament vor

Im Schöpfungsbericht heißt es: „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Die Erde aber war wüst und leer, Finsternis lag über der Urflut und die Ruach Gottes schwebte über den Wassern“ (Gen 1,2). Hier kann die Ruach Gottesgeist sein, Atem und Lebenskraft

Fast nebeneinander stehen aber auch der Geist des Menschen und der Geist Gottes. Sie sind eng miteinander verbunden. Das wird deutlich an dem Psalmwort: „Wenn du dein Angesicht verbirgst, erschrecken sie, nimmst du ihre Ruach hin, so verscheiden sie und werden wieder zu Staub. Sendest du deine Ruach aus, so werden sie geschaffen und du erneuerst das Angesicht der Erde“ (Ps 104, 29f)

Durch den Geist Gottes, die Ruach, wird eine enge Verbindung zwischen Himmel und Erde, Gott und Mensch aufgezeigt. Gott ist wie eine Mutter, die sich der Erde zuneigt. Die Ruach überwindet das Getrennte. Sie ist etwas Dynamisches, Lebendiges und Kraftvolles

Die Übersetzung für das in griechischer Sprache verfaßte Neue Testament für „Ruach“ ist „Pneuma“. Das ist dem grammatischen Geschlecht nach sächlich. In der späteren lateinischen Übersetzung steht dann schließlich „Spiritus“ und das ist männlich

Allein schon dieser sprachliche Vergleich erklärt, warum das Vergessen der weiblichen Dimension in Gott gefördert wurde. Auch im Deutschen ist „Geist“ dem grammatischen Geschlecht nach männlich. Allen Übersetzungen gleich ist aber der Inhalt des Wortes: Es geht um das Bewegen, das Wehen, ja sogar um das Brausen

Auch im Neuen Testament wird zweimal vom Pneuma, dem Geist, in mütterlichen Bildern gesprochen. Jesus erklärt seinen Jüngern: „Das Pneuma ist das, was lebendig macht; das Fleisch nützt nichts. Die Worte, die ich zu euch gesprochen habe, sind Pneuma und Leben“ (Joh 6,62). Pneuma und Leben-schenken werden in diesem Satz Jesu fast gleichbedeutend gebraucht. So wie eine Mutter ihrem Kind das Leben schenkt, so macht der Geist lebendig

In gleicher Weise ist der zweite Satz zu verstehen, den Jesus zu Nikodemus spricht: „Wenn jemand nicht aus Wasser und Pneuma geboren wird, dann kommt er nicht in das Reich Gottes“ (Joh 3,5). Dem Geist wird hier also die Möglichkeit zugesprochen, gebären zu können, wie eine Frau. So deutlich kommt das sonst im Neuen Testament an keiner Stelle zum Ausdruck. Aus dem Pneuma, aus dem Lebensatem des mütterlichen Geistes geschieht die Geburt. Als diese Geburt aus Wasser und dem Pneuma verstehen wir Christen die Taufe. Nachdem die leibliche Mutter uns das Leben geschenkt hat, werden wir in der Taufe aus dem Geist geboren zu Kindern Gottes

Die Diskussion und die Forschung um den Geist als die weibliche Seite in Gott ist noch nicht zu Ende. Aber wir dürfen uns darüber freuen, daß es zu dieser Wiederentdeckung kam. Wie sollen wir dies aber sprachlich besser zum Ausdruck bringen? Sollen wir von „Geistin“ sprechen, wie es manche feministische Theologinnen tun? Sollen wir das Pfingstfest das Fest der „Heiligen Geistin“ nennen? In der kirchlichen Umgangssprache hat sich dies bisher jedenfalls noch nicht durchgesetzt

Christine Gerber hofft: „Vielleicht hilft uns das Pneuma zu einem neuen Sprachwunder. Das Neue Testament bietet jedenfalls Sprachbilder, die das Pneuma wiederbeleben könnten: Sausen, Feuer, Taube, Geburt aus dem Pneuma, das lebensspendende Pneuma. Wir sollten uns die Freiheit zu neuem Sprechen nehmen, denn: ,Wo das Pneuma des Herrn ist, da ist Freiheit‘ (2 Kor 3,17).

Im Johannesevangelium heißt es: Der Wind weht, wo er will. Du hörst sein Brausen, weißt aber nicht, woher er kommt und wohin er geht. So ist es mit jedem, der aus dem Geist geboren ist“ (Joh 3,8). Der Geist Gottes ist für uns nicht planbar. Wir können ihn nicht berechnen und einsperren und nach unseren Vorstellungen zurechtbiegen. Sie weht eben, so sie will. Für unseren Glauben aber ist es eine Bereicherung, wenn wir zu Pfingsten den Geist als Mutter-Gott feiern lernen, denn: „Gott ist Vater und mehr, mehr viel mehr. Er ist auch Mutter und mehr, mehr viel mehr.

 

Quelle: Katharina Seifert in TdH, Ausgabe 19 des 47. Jahrgangs, 1997

 

 

 

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