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aufwaermenEs ist kalt geworden! Ja – auch wenn sich viele noch dagegen wehren und dagegen ankämpfen, es ist sozial kalt geworden in unserer Gesellschaft, kalt geworden auf unserer Welt. Wie sehr dies geschehen ist und wie weit dies in die Gesellschaft hinein wirkt, haben nicht erst die Wahlen in den USA gezeigt. Viele sind davon betroffen – ob als Opfer oder Täter. Die soziale Kälte macht auch nicht vor scheinbar soliden Mitbürgern und Familien halt. Schneller Profit, kurzsichtige Einsparungen, sozialer Neid, Selbstsucht und suggerierte Missgunst, sowie fehlgeleiteter Fremdenhass sind die Begleiterscheinungen unserer Zeit, welche die gesamte Bevölkerung belasten.

Schauen wir doch einmal mit einem unverklärten Blick auf die Welt. Wichtige und unwichtige Nachrichten, Werbung und die vielfältigen Kommunikationsmöglichkeiten moderner Medien begleiten uns auf Schritt und Tritt. In der Arbeitswelt steigt der Druck stetig, mehr Leistung erbringen ohne dafür mehr Geld zu bekommen – nicht selten auch gar keines. In einigen Bereichen sind die Menschen gezwungen, Überstunden zu leisten. In anderen jedoch finden wir Stagnation oder Rezession über Monate oder sogar noch länger. Dadurch sind immer mehr Menschen von Angst um ihre Zukunft betroffen, denn die Berichte über Stellenabbau, Geldeinsparungen, Verlust von Arbeitsplätzen, usw. untermauern diese Ängste zusätzlich.

pater_misericordiae-202x300Für einige allerdings sieht es aus wie der große Gewinn, wenn man sich die schwarzen Quartalszahlen der Börse betrachtet und sich über schöne Dividenden freuen kann. Kommt man diesen Zahlen allerdings näher und hinterfragt auf welchen Fundament sie aufgebaut sind, erkennt man schnell, dass es sich bei dem Ganzen um eine Art „Hamster im Laufrad“-Rennen handelt – wo wir ALLE, ohne Ausnahme, ein Teil davon sind – nur auf unterschiedliche Weise.

Die allgemeine Unersättlichkeit nach Reichtum und Macht war lange nicht so deutlich und weit verbreitet, wie sie heute ist. Unser angeborener Jagdtrieb treibt uns von einem Ereignis zum nächsten. Die überwiegende Mehrheit der Menschen agiert täglich wie Roboter in einem Arbeitskorsett, während Wirtschaft und Industrie alle Anstrengungen unternehmen, diese Entwicklung zu unterstützen und weiter voranzutreiben. Lohndumping und Demontage des Sozialstaates sind Anzeichen eines neu belebten Kapitalismus, der die Menschen ausbeutet und zu Maschinen entartet. Blickt man von außen auf Teile der Zivilgesellschaft, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, als dass sie wie die berühmte Ziege nach der Karotte herjagen, die auf einem an ihr befestigten Stock vor der Nase hängt. Der eine Teil wird dadurch gefügig gemacht, dass er sich an schönen und luxuriösen Dingen erfreut, die anderen hingegen müssen täglich für und um ihr Leben kämpfen. Beide Seiten aber handeln, als wären sie auf Drogen.

Es ist kalt in den Herzen geworden! – Wen wundert es da noch, wenn nun die Realität der wirklichen und uns alle gefährdenden Erderwärmung kleingeredet und als lächerlich abgetan wird. Alles nur Einbildung – der Mammon muss stimmen, alles andere zählt nicht und stört nur!

Das Jahr der Barmherzigkeit kommt langsam in die Zielgerade. Werden wir es als Jahr der Barmherzigkeit in der Rückschau nach einigen Jahren auch noch als solches erkennen? Oder werden wir es als Jahr der Hartherzigkeit erkennen, in dem abertausende im Mittelmeer ertrunken, auf den Schlachtfeldern des mittleren Ostens verblutet, in schäbigen Fabrikhallen oder auf den Feldern und Obstplantagen als Sklaven missbraucht wurden, uvm. Die Liste ließe sich mit den Flüchtlingsschicksalen und anderem noch beliebig fortsetzen.

Vor einigen Tagen feierten wir das Fest des Hl. Martin. Ja, das war jener römische Legionär der seinen Mantel mit einem Bettler geteilt hat. Und?

Wir leben im sog. christlichen Abendland und von einigen Politikern wird stark auf dieses „christlich“ gepocht, das es zu bewahren gelte. Wenn wir so auf unsere christlichen Werte pochen, so müssten wir gleich dem Hl. Martin, auch unsere Mäntel teilen. Eben unsere Türen für jene öffnen, die unsere Hilfe benötigen. Die Mindestsicherung jenen zukommen lassen, die sie brauchen, anstatt zu versuchen sie fadenscheinig abzuwürgen. Stattdessen geschieht landauf landab das genaue Gegenteil. Ist es denn christlich, wenn immer wieder eine Bevölkerungsgruppe gegen die andere aufgehetzt, der Neid und die Missgunst geschürt wird. Gewinner sind bei all dem nur jene 5 Prozent der Bevölkerung, denen bereits 95% des Landes gehören.

Vielleicht ist es höchste Zeit wieder die Notbremse zu ziehen und eine Kerze zu entzünden. Ein Zeichen der Solidarität zu setzen, zu zeigen, dass die wahren christlichen Werte noch nicht ganz verschwunden sind. Ob es gelänge, nochmals ein Lichtermeer zu entzünden? Egal, es ist an der Zeit – einander echte Wärme zu schenken und jene einzuladen, die es ganz dringend benötigen. Denn versetzen wir uns nur einen Augenblick in deren Lage. Wie sehr würden wir uns freuen, wenn uns dann jemand helfen, den Mantel teilen würde?

Die Legende berichtet, dass Martin darauf angesprochen, was er denn mit seinem Mantel gemacht habe, antwortete, dass er den Mantel geteilt, aber eigentlich verdoppelt habe. Eine Weisheit, die wir vielleicht öfter beherzigen sollten, – ganz besonders im Rest des Jahres der Barmherzigkeit.

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