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3Könige_(320_x_240)Ursprünglich machten sich vier Könige, nicht deren drei, auf den Weg, den ihnen der Stern wies. Der vierte König trug drei kostbare Edelsteine mit sich. Die anderen, das weiß jedes Kind, hatten Weihrauch, Gold und Myrrhe bei sich, so will es die Überlieferung.

Der Weg des vierten Königs trennt sich sehr bald von den drei anderen. In ihm brannte eine tiefe Sehnsucht, dem neugeborenen König zu begegnen. Er reitet als letzter, ganz in seinen Wunschtraum versunken.

Unterwegs am Straßenrand, gleichsam in der Gosse, findet er ein nacktes Knäblein, dass aus fünf Wunden blutet und dem Tode nahe ist. Der vierte König hebt es auf, bringt es in ein Dorf, wo das Kind niemand kennt. Der junge König hatte es sogleich lieb gewonnen, dass er es einer guten Frau zur Pflege gab. Und bei ihr lässt er einen Edelstein zurück, damit die Kosten für die Pflege des Kindes gesichert sind.

Die anderen Könige sind inzwischen weitergezogen, ihrem Stern folgend. Sie hatten das schutzlose Kind in der Gosse nicht wahrgenommen, so waren sie auf „ihren“ Stern fixiert.

Der vierte König macht sich auf den Weg und eines Tages erblickt er den Stern wieder und eilt ihm nach. Seine Sehnsucht, den Heiland der Welt zu finden, ist groß und zugleich geht ihm das Kind mit seinen fünf Wunden nicht aus dem Sinn.

In einer Stadt trifft er auf einen Leichenzug. Weinende Kinder trauern um ihren Vater, zusammen mit der Mutter. Dieser war hoch verschuldet gestorben und die Kinder sollten zur Tilgung seiner Schuld als Sklaven verkauft, die Familie auseinander gerissen werden. Niemand fand sich bereit, für ihre Schulden aufzukommen. Ein weiterer Edelstein des vierten Königs erspart ihnen dieses Schicksal: „Bezahlt damit, was ihr schuldig seid und kauft euch Haus und Hof und Land, damit ihr und eure Kinder eine Heimat habt.“

Kaum hatte er das gesagt, da schwang sich der König auf sein Pferd und reitet dem Stern entgegen. Doch der Stern war wie erloschen, tage- und wochenlang sucht und forscht er nach ihm. Und er wurde ganz traurig. Er bekam Angst, den neugeborenen König nun nie mehr zu finden.

Er kam durch ein fremdes Land. Krieg wütete dort, Leid, Elend und Blut bedeckten die Erde und die Herzen der Menschen. In einem Dorf hatten die Soldaten die Bauern auf einem Platz zusammengetrieben. Eines grausamen Todes sollten sie sterben. In den Hütten schrieen die Frauen voller Entsetzen und die Kinder wimmerten vor Angst.

Seinen letzten Edelstein setzt der vierte König ein, um die Männer des ganzen Dorfes freizukaufen, die, von den Soldaten als Geiseln gefangen, in ihrem Leben bedroht sind.

Müde und traurig reitet er weiter. Sein Stern leuchtet nicht mehr. Seine Seele ist angefüllt mit Gram. Wo war nur der Weg, den er zu gehen hatte, um dem König der Menschen zu begegnen. Immer und immer wieder reißt die Not der Menschen ihn aus seinem Traum auf und scheint ihn vom eigentlichen Ziel abzuhalten. Jahrelang wandert er zu Fuß weiter, denn auch noch sein Pferd hatte er zwischenzeitlich verschenkt.

Nichts besaß er mehr. Jetzt musste sogar er selber betteln. Und doch ist er immer wieder bereit, anderen zu helfen: dort trägt er einer alten Frau die zu schwere Last; hier zeigt er einem Schwachen, wie er sich gegen die Übermacht der Stärkeren durchsetzen kann; er pflegt Kranke und scheucht sogar einem halbverhungerten Pferd die lästigen Fliegen fort.

Und schließlich erlebt er, wie ein Sklave wegen Ungehorsams gegenüber seinem Herrn als Ruderknecht auf eine Galeere verschickt werden soll: Frau und Kinder müssten schutzlos alleine zurückbleiben. Seinen Leitstern schien der vierte König bereits verloren. So bietet er sich selbst an, dem ungehorsamen Sklaven die Freiheit schenkend, als Rudersklave auf dem Schiff zu arbeiten.

Jahre um Jahre vergingen, er ist alt und grau geworden, als man ihn endlich entlässt: untauglich und wertlos für die Welt. Da träumte er eines Nachts von seinem Stern, dem zu folgen er als junger Mann ausgezogen war. Und eine Stimme rief ihm im Traum zu: „Beeile dich, beeile dich!“

Kaum erwacht, brach er noch in der selben Stunde auf. Und als er wieder in die Nacht hinein ausschritt, da leuchtet vor ihm sein Stern. Sein Glanz war rot wie die Sonne des vergangenen Abend. So beeilt er sich und kommt an die Tore einer großen Stadt. In ihren Straßen ist lärmendes Treiben. Aufgeregte Gruppen von Menschen stehen zusammen, und immer wieder tauchen Soldaten auf, die jene auseinander scheuchen.

Viele ziehen hinaus vor die Mauern. Und dieser Menschenstrom reißt auch ihn mit. Dumpfe Angst presst ihm die Brust zusammen. Er befindet sich inmitten einer grölenden Menschenmasse, die hinausströmt, um einer Hinrichtung beizuwohnen.

Wird er nur mitgerissen? Geht er, von Neugier getrieben oder von was sonst, mit?

Und da sieht er ihn auch wieder, seinen Stern, genau über dem mittleren Pfahl ist er stehen geblieben. Und er leuchtet hell auf. Es ist dem König, als schreie der Stern ein letztes Mal auf, um dann zu erlöschen!

Den vierten König trifft der Blick des Gekreuzigten, und er erkennt in diesem Blick, dass er das Ziel erreicht hatte, zu dem er sein Leben lang unterwegs war: Jesus Christus.

Alles Leid, alle Qual der Erde musste dieser Mensch in sich gesogen haben, so empfindet der König seinen Blick. Aber auch alle Güte und eine grenzenlose Liebe atmet aus seiner Gestalt, die noch in der Entstellung des Schmerzes schön und voller Würde ist. Seine Hände sind wegen der Nägel in den Handgelenken gekrümmt und doch leuchtet es wie ein Strahlen aus diesen Händen, wie eine geheimnisvolle Kraft, die von dort ausgeht.

Der vierte König kommt rechtzeitig zum Höhepunkt: der Hinrichtung. Der vierte König sinkt in die Knie und streckt IHM, dem König über Zeit und Ewigkeit, seine leeren Hände zum Kreuz entgegen.

Da fallen, so lehrt uns die Legende, drei Tropfen Blut in die offenen Hände des vierten Königs. Sie sind leuchtender als seine drei Edelsteine.

Eine Legende aus Russland

 

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